Wi(e)der mehr Windräder?

von Stefan Prochnow

„Erschöpft, aber zufrieden“, fasste eine Schülerin ihren Gemütszustand nach sechs Stunden Rollen- und Planspiel zusammen. Was war geschehen? Im Lehrplan des Faches Wirtschaftswissenschaften (der nicht mehr Lehrplan heißt, sondern Kerncurriculum) ist das Thema „Ökonomie und Ökologie“ ausgewiesen. Dies sollte den Schülerinnen und Schülern aber nicht nur theoretisch vermittelt werden, beschloss Wirtschaftslehrer Stefan Prochnow.

Ein professionell geleitetes Planspiel ermöglichte es dem Wirtschaftskurs, aus verschiedenen Rollen heraus unterschiedliche Positionen zum Thema „Windkraftanlagen“ kennenzulernen und über dieses kontroverse Thema zu debattieren. Anastasiia Woydtke von der Deutschen Energie Agentur in Berlin und Jonas Hilla vom Civic Institut Düsseldorf leiteten das Planspiel souverän und gaben den Schülerinnen und Schülern auch viele Informationen zur Vorbereitung an die Hand. Zum Beispiel die Tatsache, dass für Planung, Genehmigung und Bau eines Windparks locker zehn Jahre vergehen – und bis zu 70.000 Seiten Papier zu beschreiben sind.

In der Simulation ging es darum, ob in der fiktiven hessischen Kleinstadt „Windigstadt“ Windräder gebaut werden sollen oder nicht, inwieweit diese besteuert werden, die Gemeinde beteiligt wird und wo die genauen Standorte sein sollen.

Die Schülerinnen und Schüler schlüpften in die Rollen verschiedener Parteien im Gemeinderat oder vertraten die Positionen von Umwelt- oder Wirtschaftsverbänden, Tourismusbetrieben oder Bürgerinitiativen der Anwohnerschaft.

Foto: Am Ende gab es Zustimmung für den Kompromissvorschlag: Windräder am Stadtrand.


„Alle Schüler haben sich rege beteiligt und die ihnen zugedachten Positionen recht vehement vertreten“, sagt Teamerin Anastasiia Woydtke. „Vielleicht lag es auch daran, dass wir Solar- und Windkraftanlagen vom Fenster des Klassenraums aus sehen konnten“, fügte Woydtke hinzu.

Am Ende einigten sich die Schülerinnen und Schüler auf den Bau von Windrädern in einem Gewerbegebiet am Ortsrand. Ein Kompromiss, den nicht alle Lernenden für realistisch hielten. Spaß und Lernzuwachs hat es den Jugendlichen aber dennoch gemacht, wie Helin Yildirim (17) resümierte: „Ich habe gemerkt, dass es sich lohnt, sich intensiv mit diesem Thema auseinanderzusetzen.“ Und Mitschüler Samet Kalaycik (17) ergänzte: „Ich konnte mich gut in meine Rolle hineinversetzen. Ich habe aber gemerkt, dass es auch wichtig ist, mit Menschen zu diskutieren, die eine andere Meinung vertreten.“

Ein wichtiges Fazit in Zeiten, in denen eine faire Debatte keine Selbstverständlichkeit mehr zu sein scheint.

Foto: Die Schülerinnen und Schüler schätzten ihren Kompromiss eher kritisch als allenfalls „teilweise realistisch“ ein.