von Julian Reibling
Der Deckname „Katzbach“ sollte seinen Standort verschleiern – die Adlerwerke im Frankfurter Gallusviertel. Hier existierte von Sommer 1944 bis März 1945 ein Konzentrationslager mitten in der Stadt – in den Räumen und auf dem Gelände des damaligen Rüstungskonzerns an der Kleyerstraße. Seit dem vergangenen Jahr ist hier ein innovativer Geschichtsort eingerichtet, der nach Jahrzehnten der geschichtspolitischen Kontroverse die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit des Ortes ermöglichen soll.
Genau dies war der Anlass für die Schülerinnen und Schüler der Klasse 10A der Hohen Landesschule, am 28.06.2023 gemeinsam mit ihrem Geschichtslehrer Julian Reibling eine Exkursion zum Geschichtsort Adlerwerke zu unternehmen. Angeleitet durch eine Museumspädagogin, recherchierten die Jugendlichen in dem Ausstellungsraum zur Geschichte der Adlerwerke und dem als Außenlager des elsässischen KZ Natzweiler-Struthof errichteten KZ „Katzbach“. Dabei stießen sie auch auf das System der Zwangsarbeit im nationalsozialistischen Frankfurt. An einem großen interaktiven Display entdeckten sie Orte und Betriebe in der Stadt, die meistens sogenannte „Fremdarbeiter:innen“ beschäftigten – unter Zwang aus den von Deutschland besetzten Gebieten zur Arbeit nach Deutschland verschleppte Frauen und Männer. Diese konnten sich zwar frei in der Öffentlichkeit bewegen, mussten jedoch eine spezielle Armbinde zur Kennzeichnung tragen.
Die Schülerinnen und Schüler schilderten in eigens erarbeiteten Kurzvorträgen, dass die Besonderheit der Adlerwerke in einem werkseigenen Konzentrationslager lag, das von der SS betrieben und vor allem zur Inhaftierung von Männern genutzt wurde, die bei der brutalen Niederschlagung des Aufstands im Warschauer Ghetto im Jahr 1943 festgenommen worden waren. Innerhalb des Lagers mussten die Häftlinge schwerste Arbeit zur Produktion von Rüstungsgütern wie Panzerfahrzeugen verrichten – unter katastrophalen hygienischen Bedingungen und ständig drohender Vergewaltigung und Folter durch die SS-Wachmannschaften. Besonders die in Audiodokumenten zugänglichen persönlichen Biografien der Überlebenden, die sich noch in den 1990er- und 2000er-Jahren im hohen Alter aktiv für eine Aufarbeitung der Verbrechen einsetzten, berührten die Schülerinnen und Schüler.
Anschließend besuchte die Klasse den Campus Westend der Goethe Universität und vertiefte dort die Verwicklung des IG Farben-Konzerns in die Verfolgungs- und Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten in einem Workshop des Fritz-Bauer-Instituts. Nicht zuletzt bot sich dort allerdings auch die Gelegenheit, beim Mittagessen in der Mensa erste „Uni-Luft“ zu schnuppern und den Campus kennenzulernen. Damit bildete die Exkursion einen erfahrungsreichen Abschluss der Unterrichtseinheit zum Nationalsozialismus.