Von Dr. Thomas Liesemann
Unter dieser Fragestellung fand am 28.03.2023 im Forum der Hohen Landesschule Hanau eine Informationsveranstaltung statt. Geladen war Dr. Asfa-Wossen Asserate, prominenter Gast von Talk-Runden, Autor mehrerer Bücher über deutsche Sitten und Kultur, über seine kaiserliche Herkunft, nicht zuletzt über Afrika und seine Migrationsströme. Als Berater deutscher mittelständischer Unternehmen, die eine Geschäftsbeziehung zu einem afrikanischen Land in Betracht ziehen, hat er seine Berufung zu einem Beruf gemacht.
Dr. Asfa-Wossen Asserate
Welchen Grund aber hätten wir, mehr über den „schwarzen Kontinent“ und die dort lebenden Menschen wissen zu wollen? Die Nachrichten, die uns von dort erreichen, geben selten Anlass zur Hoffnung. Im Gegenteil: Afrika gilt als ein Synonym für Dürren, Hungersnöte, miserables Wirtschaften, korrupte Regierungen, von Milizen gefochtene Kriege und – als Folge all der genannten Gründe – Tausender, nein, Millionen von Menschen auf der Flucht. Die meisten von diesen schaffen es nicht einmal bis ans Mittelmeer, da sie vorher ausgeraubt, vergewaltigt, gefangen genommen oder dem langen Weg durch die Sahara zum Opfer fallen. In den Abendnachrichten erfahren wir von jenen, die auf ihrer gefährlichen Überfahrt in viel zu kleinen Booten die italienische Küste erreichen, angekommen in einem Kontinent, wo sie aber nicht erwünscht sind.
Es ist ein in jeder Hinsicht bedrückender Zustand. Nicht weniger bedrückend ist die Tatsache, dass unsere Ratlosigkeit ebenso wenig helfen wird wie die fast sieben Meter hohe Mauer, die zwischen der spanischen Enklave Ceuta und dem marokkanischen Staatsgebiet errichtet wurde, um die Geflüchteten zurückzuhalten. Was hätte ein medial wirksamer Autor von privilegierter Abstammung uns in dieser Sache mitzuteilen? Dr. Asfa-Wossen macht kein Hehl um eine in vielerlei Hinsicht beklagenswerte Wirklichkeit. Und dennoch verfällt sein Appell nicht in Larmoyanz und die beinahe schon zur Gewohnheit gewordene Bitte zu helfen.
Was seine Sicht der Dinge wesentlich von dem Aufruf zu caritativem Handeln unterscheidet, ist sein Wunsch, Afrika endlich ernst zu nehmen. Dem Kontinent sei nicht mit Almosen zu helfen, sondern durch Formen der gewinnorientierten Zusammenarbeit, die den Afrikanern eine Chance geben, ihre eigenen Fähigkeiten einzubringen. Ihm ist klar, dass dies nicht mit aufmunternden Worten zu leisten ist, sondern an Bedingungen an die Kooperationspartner geknüpft sein sollte. Wenn die Vertreter afrikanischer Staaten keine Garantie einer menschenwürdigen Behandlung der involvierten Personen geben wollten, so Dr. Asfa-Wossen, sei eine Zusammenarbeit abzulehnen. Dieser Weg, sagt er, werde von China beschritten, der Wirtschaftsmacht, die in Afrika zunehmend als Handelspartner an Boden gewinne. Dies sei der Fall, so der Vortragende, weil die Chinesen keine Bedingungen in puncto Menschenrechte stellen. Auf diese Weise sichere man sich die Rechte an für die technologische Entwicklung wichtigen Rohstoffen, helfe dem afrikanischen Kontinent aber immer noch nicht, um auf eigene Beine zu kommen.
Im Unterschied dazu läuft Dr. Asfa-Wossens Botschaft darauf hinaus, über veränderte Formen der wirtschaftlichen Kooperation gleichzeitig gutzuheißende Standards der Humanität einzuführen. Denn wenn die jungen Afrikaner diese erkannt hätten, gäbe es keinen Grund mehr, die Heimat zu verlassen. Nicht weniger wichtig wäre eine zweite Konsequenz, nämlich die, dass es langfristig vorteilhaft wäre, europäische Unternehmen als vertrauenswürdige Geschäftspartner zu gewinnen.
Im Anschluss an den Vortrag gestaltete sich eine lebhafte Fragerunde, bei der die Schülerinnen und Schüler der Oberstufe eine Vielzahl relevanter Fragen an den Gast richteten. Dr. Asfa-Wossen war nicht darum verlegen, ehrlich zu antworten – auch bei Fragen, die seine Person und seine Herkunft aus der äthiopischen Kaiserfamilie betrafen. Er machte in seinen Antworten deutlich, dass die Errungenschaft einer gelebten Demokratie in Verbindung mit sozialer Marktwirtschaft die tatsächlichen Privilegien darstellen, die es Menschen ermöglichen, ein gutes Leben zu führen, bei dem der Einzelne die Möglichkeit habe, sich in seiner Humanität zu verwirklichen, eben weil er sich in die Gesellschaft einbringe.
Dr. Asfa-Wossen Asserate stellte sich im Anschluss an seinen Vortrag den Fragen von Philip Hagenhoff, Anna Oppermann, Viktor Mohr und Matheo Fountain. Die Jugendlichen arbeiten an einem Podcast und einer Sendung für Radio Hanau über das Thema „Macht die Digitalisierung die Welt gerechter?“
Mit dieser an unsere vernünftige Einsicht wie auch an das Gefühl unserer Verantwortlichkeit gerichteten Botschaft fand eine kurzweilige Veranstaltung ihren Ausklang.